unsfehlendieworte

Liebe Schwestern und Brüder,

das pastorale Team, in Abstimmung mit dem Pfarreirat, will an diesem Sonntag unter dem Schlagwort „Uns fehlen die Worte“ ein stilles Zeichen setzen. Wir wollen damit öffentlich deutlich machen, dass uns die aktuellen Entwicklungen in unserer Kirche nicht gleichgültig sind.

Sie trifft uns in unserem Christsein in der Öffentlichkeit und durch unsere Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft. Sie trifft uns in unserem Glauben und in unserem Vertrauen in die Kirche.
Uns ist dabei bewusst, dass es verschiedene Sichtweisen in der aktuellen Situation gibt, und wir weder Entscheidungsträger oder letztverantwortlich für das Geschehene oder die anstehenden zukünftigen Entscheidungen sind – allerdings sind wir immer Mitbetroffene.

Der Verzicht auf das Sonntagsgeläut, den Gesang im Gottesdienst und einer Predigt, zugunsten einer Zeit der Stille, sollen ein leises Zeichen der eigenen Sprachlosigkeit ein.

Dabei gilt es zwei Dinge zu unterscheiden. Einmal die Dankbarkeit über das – im Rahmen der Aufarbeitung – schon erreichte und die Sprachlosigkeit über den Umgang mit der eigenen Schuld.

Dankbar dürfen wir sein dafür, dass unsere Kirche aus dem Missbrauchsskandal für die Zukunft gelernt hat. Wir waren die ersten, die verbindliche Richtlinien erlassen haben. Seit Jahren verfügt unsere Kirche, auf allen Ebenen, über Präventionsschutzkonzepte und einem verpflichtendes Management, um es Täter*innen schwer zu machen in unseren Reihen zukünftig einen Platz zu finden.

Dankbar sind wir für den synodalen Weg, der seine Wurzeln in der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals hat und jetzt übergeht in die Aufarbeitung der damit verbundenen Schuld – und sich jetzt sogar auf Weltebene fortsetzt.

Sprachlos sind wir über die schleppende Aufarbeitung der strukturellen Gründe, die zum Missbrauchsskandal und der immer noch gelehrten Diskriminierung von Menschen, die außerhalb der von unserer Kirche genehmigten Moral leben, geführt haben.

 

Sprachlos macht uns die Erkenntnis dass:

  • Es immer noch Mitchristen im Gottesvolk und bei den Amtsträger gibt, die im Blick auf den Missbrauchsskandal von Einzelfällen reden und damit strukturelle Gründe ausschließen.
  • Es immer noch Amtsträger gibt die ihre moralische Mitschuld – auch als Amtsnachfolger – für den Umgang mit den Tätern nicht einsehen können.
  • Es immer noch keine gemeinsame Haltung der Bischofskonferenz zu den aktuellen Fragen in unserer Kirche gibt.
  • Es immer noch keine erkennbare Bereitschaft zu einem echten Dialog gibt, um die kirchliche Morallehre mit den Erkenntnissen unserer Zeit in Einklang zu bringen, auch wenn einzelne Amtsträger und viele kirchliche Verbände und Vereine dies anmahnen.
  • Es immer noch an Respekt und Akzeptanz fehlt alle Menschen, in all ihren gewählten Lebenspartnerschaften, vollumfänglich anzuerkennen.
  • Es immer noch tabu zu sein scheint die traditionellen kirchlichen Machtstrukturen zu überprüfen und neu zu ordnen.

Wir alle sind gerne in der katholischen Kirche, die für viele eine spirituelle und emotionale Heimat ist. Ihre vergebende und barmherzige Verkündigung – ausgehend von Jesus Christus – ist für uns ihre wichtigste Botschaft für diese Zeit. Umso schwerer wiegt deshalb ihre erkennbare Unfähigkeit mit den eigenen Fehlern, ja der eigenen Schuld umzugehen.

Die Stille am heutigen Sonntag versehen wir als Einladung unserer eigenen Haltung zur aktuellen Situation in unserer Kirche Raum zu geben.
Für das pastorale Team und den Pfarreirat von St. Johannes Baptist
Christian Wölke, Pfarrer